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Podium mit: Moderation: Donnerstag, 17. März 2005, 14.00 Uhr Eine Veranstaltung des Börsenverein des Deutschen
Buchhandels e.V. / Leipziger Büro
»Man probiert wieder was« Mit den jungen, kreativen Kleinverlegern ist ein neuer
Trend ausgemacht. Die Frankfurter Allgemeine Zeitung schreibt, dass
bereits im vergangenen Jahr »die meisten Impulse nicht mehr von
Suhrkamp, Hanser, Rowohlt ausgingen, sondern von Neulingen wie Blumenbar«.
Der Spiegel stellt fest: »Eine solche Aufbruchsstimmung gab es
noch nie: eine neue Verlegergeneration, die ihren eigenen Weg gehen
will.«
Es ist ja schon befürchtet worden, die diesjährige
Leipziger Buchmesse würde unter sibirischen Bedingungen abgehalten
werden müssen. Aber nun sieht es doch so aus, als könnte das
Flanieren über die Frühjahrsmesse der Branche mit jahreszeitlich
passenden gefühlen einhergehen... Die Stimmung scheint, nach den
Jahren des Krisengezeters, gar nicht so schlecht zu sein; nicht jedoch,
weil sich die Verkaufszahlen positiv entwickelt hätten, sondern
wohl auch aufgrund eines gewissen Überdrusses am Jammern. Da mag
es programmatisch wirken, wenn eine der wichtigen Podiumsdiskussionen
unter der Frage "Gründerzeit: Independents im Aufwind?"
firmiert. Die Verlagsgründer Daniela Seel (kookbooks), Heinrich
von Berenberg (Berenberg Verlag) und Michael Zöllner (Tropen Verlag)
diskutieren mit einigen alten Hasen des Betriebs. Man darf gespannt
sein zu hören, wie die Neu-Verleger die Situation einschätzen
und vor allem: welche Mittel sie (er)finden, um ihr Publikum zu erreichen.
Sicher ist schon jetzt: Man probiert wieder was.
In Leipzig kann eine hochkarätig besetzte Runde erlebt
werden zum Thema "Gründerzeit. Independents im Aufwind?".
Schon dass dieses Mal der Große Wildweise Häuptling Klaus
Wagenbach mit dabei ist, wäre ein Grund, parallele Veranstaltungen
sausen zu lassen... Der süße Duft des Großkapitals ist auch
für Klaus Wagenbach einmal in seinem Leben aufgestiegen: aus einer
Wiese seines Vaters im Obertaunus. Die durfte der gerade bei S. Fischer
entlassene Lektor 1964 für 100 000 Mark verkaufen damals eine
hübsche Summe, womit er seinen eigenen Verlag gründen konnte.
Deshalb gilt Wagenbach als Gründervater des unabhängigen Verlagswesens,
und also gehört er auf einer Podiumsdiskussion namens "Gründerzeit"
über junge Verlage quasi zum Stammkapital. Zumal sich seit vierzig
Jahren offenbar nichts an den ökonomischen Bedingungen für
Verlagsgründungen geändert hat. Denn auch die erst seit wenigen
Jahren oder gar Monaten aktiven Verleger Daniela Seel (Kookbooks), Michael
Zöllner (Tropen) und Heinrich von Berenberg (Berenberg) nannten
mit schöner Monotonie die magische Zahl von umgerechnet 100 000
Mark, für die sie alle ihre Unternehmen auf den Weg gebracht haben.
Nur Thierry Chervel wollte nicht recht mit der Sprache heraus über
die Anlaufkosten seiner Internet-Feuilletonschau "Perlentaucher",
aber mit den ihm kürzlich zugesagten 1,4 Millionen Euro der Bundeskulturstiftung
für das englischsprachige Angebot des "Perlentauchers"
war er zweifellos der Krösus auf dem Podium auch wenn er kokettierte,
von Geld nichts zu verstehen. Wagenbach konnte immerhin noch die simple
Buchführung gemäß dem Hosentaschendualismus vorstellen:
Rechts kommen die Gewinne rein (denn dort sitze das Kapital), und aus
der linken Tasche begleicht man die Verluste. So sehen die Wunder des
Jahres 2005 in einer Berufsgruppe aus, der niemand gesagt hat, wie man
Kapitalist wird. Mit öffentlichen Subventionen überleben,
das darf man wohl als kleine Kunst betrachten in einer Branche, die
ansonsten aus winzigen Summen große Werke zu machen versteht.
Der Grossen Freud geballte Konzentration auf einen Mega-Seller-Titel
ist des Kleinen Leid. Jürgen Kill vom Münchner Verlag Liebeskind,
der so schöne Autoren wie James Kelman oder Cecile Wajsbrot im
Programm hat, hält den Markt immer noch für «extrem
schwierig». Und den in diesem Frühjahr ausgerufenen Trend
hier ist er also, der versprochene Trend! der Kleinverlagsgründungswelle,
den hält er für mediengemacht, höchstens für ein
«Trendchen». Diesem Trendchen huldigte immerhin die schon
traditionelle Podiumsdiskussion des Börsenvereins. Daniela Seel
von «kookbooks», Heinrich von Berenberg, der seinem neuen
Verlag seinen eigenen Namen gegeben hat, und Michael Zöllner vom
Tropen-Verlag arbeiten mit kleinstem Apparat, niedriger Titelzahl und
grossem Vergnügen an der Verfertigung schöner Bücher,
von denen sie überzeugt sind, dass die Welt sie braucht. Umgerechnet
etwa 70 000 Franken haben sie jeweils ein überraschender Gleichklang
als Startkapital gehabt; vom Vater, von Freunden, vom Ersparten. Und,
man glaubt es nicht, auch Klaus Wagenbach, der Pate aller Kleinen und
Unabhängigen, will vor 40 Jahren mit exakt derselben Summe seinen
Wagenbach-Verlag gegründet haben dem Erlös aus dem Verkauf
einer Wiese, die seinem Vater gehörte. Diese mythische Summe, viel
Idealismus, ein Netzwerk von Helfern undFreunden: Das genügt nicht.
Die Achillesferse der Neulinge ist der Vertrieb,und hier berührte
die Diskussion, ganz ungeplant, einen wunden Punkt des Buchmarktes:
die aggressive Rabattpolitik der Zwischenbuchhändler. Diese sogenannten
Barsortimenter verfügen über riesige Lager und einen perfekten
Zuliefererservice, weshalb immer mehr Buchhandlungen sich nur noch von
ihnenbeliefern lassen. Selten gefragte Titel und das sind die der
neuen Kleinenoft führen die Zwischenhändler nicht, und für
Buchhandlungen ist das dannso, als ob sie gar nicht existierten. Die
von den Zwischenhändlerngeforderten Preisabschläge empfinden
die Unabhängigen als direkt existenzgefährdend. Ein heisses
Eisen für den Börsenverein, in dem ja allebeteiligten Parteien
des Buchhandels vertreten sind. Am Rande der Messe gab es wieder zwei ausgesuchte Feuilletonrunden,
gleich am ersten Messetag ein von den »bücher.machern«
organisiertes Podium zur »Gründerzeit« für unabhängige
Kleinverlage. Die Diskussion lebte von der Präsenz des Doyen Klaus
Wagenbach, dessen Sprüche sofort dutzendfach in den Buchmesseberichten
der großen Zeitungen kolportiert wurden. (...) Als Intermezzo
arbeitete Thierry Chervel vom Perlentaucher weiter am Mythos seiner
kleinen Firma. Dass sie eigentlich »Trüffelschwein«
heißen sollte, erwähnte er nur nebenbei, doch prompt wurde
eine dpa-Meldung daraus. Trotz Ablenkungen wie dieser schien am Ende
der Diskussion ein Konsens auf: Ziel der Kleinverlage muss sein, einen
Qualitätsbegriff nach außen zu tragen, bezüglich der
künstlerischen Gestaltung und Verarbeitung, des Lektorats sowie
einer etwaigen Übersetzung. A propos: »Übersetzernamen
aufs Cover, Lektorennamen ins Impressum!«, forderte Denis Scheck. "Sie sind aber mutig..." So steht es groß
auf der ersten Seite des ersten Frühjahrsprogrammes des Tisch 7-Verlages.
Drei literarische Titel, dazu eine Antho-logie, allesamt sorgfältig
gestaltet, schick aufgemacht, keine Konfektionsware, das sieht man.
So etwas fällt auf. Die Kleinen ein despektierliches Wort. Aber
die Kleinen fühlen sich ungeheuer wohl als die Kleinen. Sie wären
sonst nicht zu den Stars der am gestrigen Sonntag zu Ende gegangenen
Leipziger Buchmesse geworden. Sie wurden gefeiert, gehätschelt,
gelobt und mitunter zootierchenhaft bestaunt, die jungen unabhängigen
Verlage wie Kookbooks, Blumenbar, Tropen (acht Jahre alt immerhin).
Kaum ein Terminkalender dürfte voller gewesen sein als der von
Kookbooks-Verlegerin Daniela Seel. "Gründerzeit Independents
im Aufwind?", lautete dann auch der Titel einer viel beachteten
Gesprächsrunde. Immerhin: Das Fragezeichen am Ende relativierte
den Hype dann doch noch ein wenig. Viel Neues hatte man am Ende der
Gesprächsrunde nicht erfahren. Dass man Geld braucht, um einen
Verlag zu gründen, war bekannt. Dass eine Bank dieses Geld nicht
gerne gibt, hatte man sich fast gedacht. Und dass die Konzernverlage
und Bertelsmänner die bösen Buben des Literaturgeschäfts
sind, wie Klaus Wagenbach immer wieder betont, ist ebenso polemisch
wie zu kurz gegriffen. Denn nicht hauptsächlich die Konkurrenz
untereinander dreht an der Finanzschraube und bringt die Kleinverlage
in Schwierigkeiten, sondern, so erzählt es Daniela Seel, die wachsende
Macht der Barsortimenter, die ihren Neukunden Konditionen anböten,
die inakzeptabel seien. Wer das Spiel nicht mitspielt, liegt nicht nur
nicht in den Buchhandlungen aus er existiert für die Buchhändler
schlichtweg nicht. Kaum gesprochen dagegen wurde über die literarische
Qualität der Jungverlags-Produktionen. Vielleicht demnächst,
wenn das Staunen über all die gestalterischen Einfälle und
die seltene Sorgfalt, die auf die Stimmigkeit von Optik und Inhalt verwendet
wird, ein wenig gewichen ist.
In den vergangenen Jahren sind kleine, unabhängige
Verlage, die so schöne Namen wie Tisch 7, Blumenbar, Liebeskind
oder Kookbooks tragen, wie die Pilze aus dem Boden geschossen. Zugleich
wird im Börsenverein, dem Branchenverband, der die Interessen höchst
unterschiedlicher Buchmarktteilnehmer vertritt, heftig über die
Zukunft des Verlagswesens diskutiert. Wie unterschiedlich die Interessen
sind, wird klar, wenn Arnulf Conradi, der kürzlich aus dem von
ihm gegründeten Berlin Verlag ausgeschiedene Verleger, das Ende
der Vielfalt wittert, weil zum Beispiel das Barsortiment, vor allem
der Grossist Libri (Hamburg), Buchhandlungen mit dem Angebot zu ködern
plant, man stelle ihnen für ihr Sortiment "Sorglos"-Pakete
zusammen, erspare ihnen so die Auswahlarbeit und minimiere das Verkaufsrisiko.
So etwas spielt den auf Bestsellerproduktion ausgerichteten Verlagen,
und das sind oft die unterm Konzerndach, in die Hände und die
Independents (die sich lieber als unabhängige denn als Kleinverlage
bezeichnen lassen) haben keine Chance mehr, ihren Fuß in die Tür
und ihre Bücher ins Regal der Buchhandlung zu bekommen. Das Barsortiment
nämlich, der große Lagerbetrieb mit jener überwältigenden
Logistik, die dafür sorgt, dass jedes dort gelistete Buch innerhalb
von einem Tag nach Bestellung in der Buchhandlung eintrifft, lässt
sich seine logistische Leistung, die dem Buchhändler Lagerkosten
spart, vom Verlag teuer bezahlen: "Das fängt mittlerweile
bei 50 Prozent Rabatt erst an, 60 Prozent sind keine Seltenheit",
berichtete Daniela Seel, die Gründerin des Berliner Kookbooks Verlags,
in Leipzig; die kleinen Verlage mit ihren nicht so gewaltigen Auflagen-zahlen
können da nicht mithalten. Also werden ihre Bücher in den
Datenbanken von Libri oder von Koch, Neff & Volckmar (Stuttgart)
nicht verzeichnet, also bekommt der Kunde in der Buchhandlung, falls
er einen dort nicht zu findenden Titel bestellen möchte, die Auskunft,
der müsse direkt beim Verlag bestellt werden, und das daure mindestens
eine Woche, oder gar, das Buch gebe es gar nicht. Die Leipziger Buchmesse ist eher Familientreffen und Party:
Kleine Verlagsstände, viel nettes Geplauder und abends noch mehr
Lesungen. Als wollten alle Beteiligten den Eindruck von Harmonie und
eitel Sonnenschein verbreiten. Dabei geht es dem Buchmarkt nicht besonders
gut... Andererseits sind in den vergangenen Jahren auffällig viele
neue kleine Verlage gegründet worden. Als ob es die Flaute auf
dem Buchmarkt gar nicht gäbe: Der Blumenbar Verlag aus München,
Tisch 7 aus Köln oder Kookbooks aus dem Taunus sind auf der Messe
große Anziehungspunkte. Die mediale Aufmerksamkeit, die sie erreichen,
ist dabei umgekehrt proportional zu ihrer wirtschaftlichen Bedeutung.
Anscheinend erhoffen sich so einige Leser und Journalisten von den jungen
unabhängigen Verlagen neue Seiten und einen frischen Wind zwischen
all der Stapelware von Dan Brown bis Frank Schätzing oder Schirrmacher
in den Buchhandlungen. Zu den vornehmsten Übungen eines Messeberichterstatters
gehört es, Trends zu sichten. Das ist nicht immer leicht, da sich
alle halben Messejahre selten wirklich Neues tut; das ist sogar richtig
schwer, wenn ein Frühjahrsprogramm ein eher handelsüblich-durchschnittliches
ist, so wie in diesem Jahr. Doch wird eben etwas herbeikonstruiert oder
ein Trend aus der Tasche gezogen, der schon ein paar Jahre auf dem Buckel
hat. In Leipzig spricht man deshalb in diesem Jahr viel über neue
Verlagsgründungen über "Independents im Aufwind",
wie eine Diskussionsrunde in den Messehallen übertitelt war -,
und über Verlage wie Kookbooks, Tropen, Blumenbar oder Schirmer/Graf,
die verstärkt auf sich aufmerksam machen. Warum das so ist, bleibt
eher unklar: Verlagsneugründungen gibt es alle Jahre wieder, und
von älteren Kleinverlagen wie FVA, Mare, Kunstmann oder den Verbrechern
ist momentan gar nicht mehr die Rede (auch den Tropen Verlag gibt es
schon fast zehn Jahre). Doch reichen eben zwei, drei zeitgleiche Neugründungen
mitsamt geschickter Öffentlichkeitsarbeit, um Trendsetter auf den
Plan zu rufen. Dass diese nötig sind, ließ sich schön
auf der besagten Diskussionsrunde heraushören: "Wir versuchen
einen Nachfragedruck zu erreichen", sagte Michael Zöllner
von Tropen und wies daraufhin, dass die wichtigsten Verbündeten
eben jene Trendsetter in den Feuilletons und angeschlossenen Medien
seien. Das größte Problem kleiner Verlage ist es nämlich,
überhaupt mit ihren Büchern in die Buchhandlungen zu kommen
oder schnelle Lieferbarkeit zu erreichen: Stichwort Vertrieb, Stichwort
Barsortimente, und schnell war man so beim Niedergang des Buchhandels
und der Problematik von Ketten wie Weltbild oder Jokers, die kaum 1.000
Titel im Angebot haben, geschweige denn solche von Tropen oder Blumenbar.
Als weniger aufschlussreich erwies sich die Runde bei Fragen zu Programm
und inhaltlichen Standortbestimmungen. Da hatte man den Eindruck, als
ginge es etwa Daniela Seel von Kookbooks oder Heinrich von Berenberg
mit seinem gleichnamigen Verlag ausschließlich um die Lust am
Büchermachen nicht darum, den Großen eins auszuwischen
oder alles ganz, ganz anders zu machen. So übernahm nur der gute
Klaus Wagenbach wieder einmal den Part des Bertelsmann-Verkloppers,
schimpfte über den "Blödsinn" der Großen und
ihre schlechten Bücher und analysierte, dass die Leser von den
Bertelsmännern und den Buchhandelsketten betrogen würden.
Klar, dass er auch sein Liebingszitat von Enzensberger zückte:
Bertelsmann, das ist ein großer Verlag, aber mir fällt gerade
kein Autor ein. Auch mit knappen Eigenmitteln ist nach Ansicht kleinerer
Verlage eine Neugründung möglich. «Die Absichten des
Verlegers und dessen Ideen sind wesentlich wichtiger als Geld»,
sagte Klaus Wagenbach vom gleichnamigen Verlag. Vor vier Jahrzehnten
startete er mit umgerechnet knapp 50.000 Euro. «Banken geben Kredit
auf Papier, nur nicht auf bedrucktes», so seine Erfahrung. «Günter
Grass hat mir damals aus der Hand gelesen und gesagt: Du wirst ein großer
Verleger», sagte Wagenbach auf dem Buchmesse-Forum «Gründerzeit
Independents im Aufwind?» am Donnerstag in Leipzig.
Gründerzeit Der Verleger will Entdecker sein. Er will helfen, neue Werte ans Licht
zu fördern, neue Werte zu schaffen. Aber das setzt voraus, dass
er als Liebhaber Phantasiewerte abschätzen kann. Wir wollen keine Askese und keinen Ja!-Kaffee. Sondern mehr Schönheit,
Farbe, Phantasie. An Büchern soll es uns zuletzt mangeln. Preußisches Prinzenpaar startet Verlagsprogramm in Berlin Das Thema Riefen vor noch nicht allzulanger Zeit spektakuläre Verlagsübernahmen im Bereich der gehobenen Belletristik besorgte Feuilleton-Leitartikler auf den Plan, die das Ende des literarischen Verlags, der Verlegerpersönlichkeit alter Prägung befürchteten, ist inzwischen eine sachte Gegenbewegung spürbar geworden: Verleger, die einst die Anbindung an große Medienkonzerne gesucht hatten, kauften ihre Verlage zurück und arbeiten wieder auf eigene Faust. Was die Konzerne mit Konzentration auf die Kernkompetenzen umschreiben, bedeutet für sie ein Zurück in die Freiheit. Machte noch vor kurzem das Wort von den Verlagen ohne Verleger (André Schiffrin) die Runde, scheint nun die Stunde der unabhängigen, besonders der Nachwuchsverleger schlagen. Auch auf dem Nischen-Markt für Kulturzeitschriften tut sich Ungewöhnliches hier schossen ebenfalls in den zurückliegenden Monaten neue Blätter wie Pilze aus dem Boden: Das Spektrum reicht von Projekten wie dem unterm Dach des Axel Springer Verlags gegründeten Magazin Der Freund bis zu ambitionierten Start-ups wie Dummy oder Monopol. Die Gründe für den Boom sind vielfältig: Kreatives Potenzial, das in Zeiten der Medien-Krise nicht länger brach liegen will, das allzuoft unterschätzte Interesse des Publikums an Diskussion und geistvoller Auseinandersetzung mit Themen, die über den Tageshorizont hinausgehen. Der Wunsch einer nachwachsenden Autoren und Verlegergeneration, nicht länger auf die Nobilitierung durch den Betrieb zu warten und das Heft selbst in die Hand zu nehmen. Und manchmal wohl auch das simple Bedürfnis, endlich die Bücher, die Zeitschriften zu machen, die man immer schon machen wollte. Der Charme, dies auf eigene Rechnung und eigenes Risiko zu tun, ist offenbar größer denn je. Was ist das Prinzip Selbstausbeutung gegen den Zauber der Selbständigkeit? Erleben wir also gerade die Rückkehr der unabhängigen Verleger? Vergessen wir nicht: Sie waren nie weg! Verleger, die nicht nur Bilanzen, sondern auch Bücher lesen können, die wissen, wie man neue Werte ans Licht fördert, hat es immer gegeben. Viele von jenen, die wie Wagenbach, Rotbuch, Stroemfeld/Roter Stern oder Merve ihren Weg in den politisch aufgeheizten, turbulenten Jahren um 1968 begannen, feiern inzwischen runde Geburtstage; die frühen neunziger Jahre brachten, nicht zuletzt dank der Wende im Osten, noch einmal einen regelrechten Gründungs-Boom. Was unterscheidet die Konzepte und Visionen der Gründer von einst von denen der heutigen Jungverleger? Viele der heutigen Gründer wissen sehr genau, was sie tun und starten hoch professionell. Businesspläne statt basisdemokratischer Diskussion, Zielgruppenanalyse statt revolutionärer Sendung. Kommt, so die bange Frage, nach den Pop-Literaten nun die Zeit der Pop-Verlage? Die Jungverleger oft selbst Kinder der Pop-Kultur bedienen nicht nur die Wahrnehmungs-Gewohnheiten einer mit MTV und VIVA großgewordenen Lesergeneration, sie kennen auch die Branche mit ihren Eigenheiten und Risiken, wissen die Medien für sich zu nutzen und müssen doch auf die Entdeckungslust der Buchhändler hoffen. An der Gretchenfrage, die Klaus Wagenbach einmal formuliert hat, kommt keiner vorbei: Wie überlebt man gute Bücher?
Die Diskussionsteilnehmer
Heinrich von Berenberg, geboren 1950 in Hamburg, redigierte nach den Studium zunächst Kochbücher, war dann beim Syndikat Verlag in Frankfurt und kam 1982 zum Verlag Klaus Wagenbach, für den er, mit Unterbrechungen zwanzig Jahre als Lektor arbeitete. Seit 1994 war und ist er auch für den Verlag Antje Kunstmann in München tätig. Daneben hat er aus dem Spanischen übersetzt (Bolaño, Tomeo) und zahlreiche Bücher herausgegeben. 2004 gründete er, zusammen mit seiner Frau Petra, den Berenberg Verlag, wo autobiographische und biographische Literatur, Essays und Entdeckungen verschiedenster Art erscheinen.
Thierry Chervel *, geboren 1957, hat Musikwissenschaften studiert. Er war Redakteur bei der taz (Film, Musik, Tagesthemen), und Kulturkorrespondent für die Süddeutsche Zeitung in Paris. Mitbegründer des Perlentauchers, der am 15. März 2000 online ging und dessen englischsprachiger Dienst Signandsight dieser Tage startete.
Daniela Seel, geboren 1974 in Frankfurt/Main, ab 1994 Studium der Germanistik in Bayreuth und Göttingen, ab 1996 in Berlin. Abbruch des Studiums. Ausbildung zur Verlagskauffrau und mehrjährige Berufstätigkeit als Lektorin, Projektmanagerin und Assistentin der Geschäftsführung in einer Idsteiner Media-Agentur. Seel gehörte zu den Initiatoren der Literatursparte im Künstlernetzwerk kook und hat selbst als Autorin in Zeitschriften und Anthologien veröffentlicht. Im Frühjahr 2003 Gründung des eigenen Verlags kookbooks. Seel lebt in Berlin und Idstein/Ts.
Michael Zöllner, geboren am 25. Mai 1969 im baskischen San Sebastian, kam mit fünf Jahren nach Deutschland und ist in der Nähe von Köln aufgewachsen. Nach Abitur und Zivildienst studierte er von 1990 bis 1996 Germanistik,Kunstgeschichte und Philosophie in Köln, daneben an der Düsseldorfer Kunstakademie freie Malerei und Buchgestaltung sowie Schriftentwurf in Den Haag. Seit 1992 arbeitete Zöllner als freier Hersteller für verschiedene Kunstbuchverlage. 1996 gründete er mit Christian Ruzicska und Leander Scholz den Tropen Verlag und ist seitdem als Verleger, Herausgeber und Übersetzer tätig. Einem größerem Publikum wurde er durch die Übersetzung der Romane Jonathan Lethems (Die Festung der Einsamkeit) bekannt.
Klaus Wagenbach, geboren 1930 in Berlin und dort aufgewachsen. Ab 1949 absolvierte er eine Lehre in den Verlagen Suhrkamp und S. Fischer; neben seinem Studium der Germanistik, Kunstgeschichte und Archäologie in München und Frankfurt am Main war er Hersteller im S. Fischer Verlag. Nach der Promotion wurde Klaus Wagenbach 1957 Lektor im Modernen Buch-Club Darmstadt, ab Ende 1959 Lektor für deutsche Literatur im S. Fischer Verlag. Im Herbst 1964 gründete er in Berlin den bis heute unabhängigen Verlag Klaus Wagenbach. Seit Honorarprofessor für Neuere deutsche Literatur an der Freien Universität Berlin. Zahlreiche, insbesondere italienische Ehrungen. * Die Literaturagentin Karin Graf (Literatur und Medienagentur Graf & Graf, Berlin) mußte ihre Teilnahme an der Podiumsdiskussion leider kurzfristig absagen. Sie hat am 17.3. an der Beisetzung des Verlegers Karl H. Blessing teilgenommen, der am Samstag zuvor nach längerer Krankheit im Alter von nur 63 Jahren verstarb.
Moderator Denis Scheck, geboren 1964 in Stuttgart, studierte Komparatistik, Zeitgeschichte und Politikwissenschaft in Tübingen, Düsseldorf und Dallas, arbeitete als literarischer Übersetzer (Ruth Rendell, Michael Chabon, Robert Stone u. a.) und Journalist. Für seine Arbeiten zur amerikanischen Gegenwartsliteratur (Hells Kitchen) und sein Lexikon über Trivialmythen made in USA (King Kong, Spock & Drella) wurde er mit dem Kritikerpreis des deutschen Anglistentags ausgezeichnet. Denis Scheck ist heute Literaturredakteur im Deutschlandfunk, Moderator des ARD-Büchermagazins Druckfrisch und Herausgeber der Mare-Bibliothek.
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